You are currently viewing Negative Gedanken stoppen – so klappt es

Fragst du dich manchmal, weshalb es keinen praktischen „Ausschalter“ gibt, um negative Gedanken zu stoppen? Falls es dir so geht, wie mir: ein klares Ja. Wir Menschen neigen dazu, uns in negativen Gedanken zu verlieren. Oft fragen wir uns dann: „Wo ist hier bitteschön der Knopf, um dieses ätzende Kopfkino zu stoppen?“

Wenn du in negativen Gedankenschleifen steckst, ist es oft schwierig, auf andere Gedanken zu kommen. Doch es ist machbar (und darüber hinaus auch sinnvoll), den Kopf auf andere – und zwar positive – Gedanken zu bringen. Du erfährst in diesem Beitrag, was es mit negativen Gedanken auf sich hat und was dir dabei helfen kann, sie zu stoppen.

Wo die gedanken entstehen

Lass uns als Erstes einen Blick auf den Ort werfen, an dem die negativen Gedanken entstehen: das Gehirn.

Das Gehirn ist schon ein spezielles Organ. Es vollbringt enorme Leistungen. Doch vor allem ist es ein Energiefresser. Was das mit negativen Gedanken zu tun hat, erfährst du gleich.

Obwohl das Gehirn nur ungefähr zwei bis drei Prozent des menschlichen Körpergewichts ausmacht, verbraucht es rund 20 Prozent an Energie. Kein Wunder – dein Gehirn hat schließlich zahlreiche Aufgaben zu erledigen. Denken ist jedoch nur eine davon. 

Den Großteil der Energie benötigt das Gehirn dafür, um deine körperlichen Grundfunktionen aufrecht zu erhalten: Atmung, Regulierung der Körpertemperatur, Blutkreislauf und Verdauung.

Außerdem „leisten“ sich die Nervenzellen des Gehirns eine aufwendige Form der Signalübertragung. Die Synapsen – also die Verbindungsstellen zwischen den Nervenzellen – sind regelrechte Energiefresserinnen.

Dein Gehirn kann sich Energiemangel unter keinen Umständen leisten. Um Energie zu sparen, hat es daher kluge Mechanismen entwickelt. Einer dieser Mechanismen heißt: Routinen[1].

Die macht von routinen

Eine Routine ist zunächst einmal eine Handlungsabfolge, die uns zur Gewohnheit geworden ist. Wenn wir eine Handlung also immer wieder durchführen, wird diese Aktion irgendwann zur Routine. 

Ein Beispiel dafür ist Auto fahren: Die ersten Fahrversuche waren in der Regel holprig. Wir hatten vermutlich alle Hände damit zu tun, an vieles gleichzeitig zu denken: Schulterblick, Blinker setzen, in den Rückspiegel schauen, Verkehrsregeln beachten … Ich weiß nicht, wie es dir ging. Doch in meiner ersten Fahrstunde hatte ich das Gefühl: Das wird nie was.

Und heute? Auto fahren ist ein Prozess, der in großen Teilen unbewusst abläuft. Kein bewusster Gedanke mehr daran: „Huch, da war doch was mit dem Schulterblick?!“ Das passiert automatisch. Denn durch zahlreiche Wiederholungen sind Routinen entstanden.

An diesem kurzen Beispiel wird deutlich: Routinen machen uns das Leben leichter. Ob Zähne putzen, Romane lesen oder Essen kochen: Wir wären heillos überfordert, wenn wir uns über jede unserer Handlungen bewusst Gedanken machen würden. 

Durch Routinen hat unser Gehirn die nötige Energie, um sich auf die Aufgaben zu konzentrieren, auf die es ankommt: anspruchsvolle Denkaufgaben bewältigen, etwas planen oder organisieren.

«Denken verbraucht viel Energie. Routinen helfen dem Gehirn, in den Energiesparmodus zu schalten.» 

Wie so oft im Leben, hat auch diese Medaille zwei Seiten. Ja, Routinen erleichtern das Leben. Doch es gibt eben auch Routinen, die alles andere als nützlich oder wünschenswert sind.

Ob es der automatische Griff zur Zigarette in der Kaffeepause ist oder der Griff zur Chipstüte, sobald du abends auf dem Sofa sitzt: Routinehandlungen laufen wie ein automatisches Programm ab. Auch negative Denkmuster sind nichts anderes als Routinen. Negative Gedanken laufen also ebenfalls meistens automatisch ab und sind daher oft schwer zu stoppen.

Bis unser Bewusstsein kapiert, was da abläuft, stecken wir schon mittendrin in negativen Gedanken oder mit der Hand in der Chipstüte.

Routinen werden in den sogenannten Basalganglien gespeichert. Das ist eine Hirnstruktur, die tief im Inneren des Gehirns unter der Großhirnrinde sitzt. Die Basalganglien sind unter anderem dafür verantwortlich, motorische und kognitive Funktionen zu regeln. Wenn eine Gewohnheit erst einmal in die Basalganglien gerutscht ist, ist sie dort als fester Ablauf verankert – und eine derart festsitzende Routine zu verändern, ist mühsam. 

Das weiß jede Person, die schon einmal versucht hat, eine ungeliebte Gewohnheit aufzugeben. Das fühlt sich manchmal so an, als würde man durch Morast waten und ständig steckenbleiben – eine zähe Sache.

negative Denkroutinen stoppen: Wie geht’s?

Du brauchst vor allem Geduld, eine klare Motivation – und eine alternative Handlung. Um eine negative Routine zu stoppen, ist vor allem eine „Ersatzhandlung“ unerlässlich. Einfach nur etwas weglassen, ohne einen Ersatz zu haben, würde bloß dazu führen, dass dein Gehirn streikt. Es „hängt“ an den gespeicherten Routinen und wird sich mit aller Kraft dagegen wehren, sie loszulassen.

Daher: Um eine Routine loszuwerden, mache dir zuerst klar, welche neue, erwünschte Routine du stattdessen etablieren möchtest. Also zum Beispiel: „Positive Denkmuster verstärken.“ Die Gelegenheit, positives Denken zu üben, haben wir jeden Tag.

Denn wir haben täglich eine beachtliche Zahl an Gedanken. Im Internet kursieren Zahlen von 60.000 – 80.000 Gedanken pro Tag. Forschende an der Queens University haben 2020 herausgefunden: Es sind im Durchschnitt ungefähr 6.200 Gedanken.[2] Immer noch eine beachtliche Anzahl.

Das Blöde: Von diesen mehreren tausend Gedanken sind nur die wenigsten positiv. Ein großer Teil unserer Gedanken ist neutral oder negativ. 

Dazu ein kurzes Beispiel aus einem meiner Workshops:

„Wenn auf meinem Schreibtisch in der Schule ein Zettel liegt: ‚Schulamt zurückrufen‘, bekomme ich jedes Mal Puls.“ Diesen Satz seufzte ein Schulleiter während eines Resilienzworkshops. Immer, wenn er in seinem Büro einen Zettel mit dieser Aufschrift findet, läuft sein Kopfkino zur Höchstform auf. Und selbstredend, dass es ausschließlich Filme mit düsterer Handlung entwirft. Er kann seine negativen Gedanken dann kaum stoppen.

Zunächst einmal ist da nur dieser harmlose Notizzettel mit einer neutralen Info. Doch das menschliche Gehirn ist unerbittlich: Es entwirft im Handumdrehen ein negatives Szenario. Dem Schulleiter fielen auf einen Schlag etliche negative Dinge ein, die sein Rückruf mit sich bringen würde. Als er genauer darüber nachdachte, fiel ihm auf: Die überwiegende Mehrzahl aller Telefonate, die er in den vergangenen Jahren mit dem Schulamt geführt hatte, waren angenehm und konstruktiv. In der Wirklichkeit also keine Spur von Horrorszenen.

unser gehirn liebt katastrophen

Woher kommt es, dass wir mit schöner Regelmäßigkeit so viele negative Gedanken haben? Und uns so oft wie möglich lieber ein möglichst schlimmes Szenario vorstellen?

Im Grunde ist es eine beachtliche und kreative Leistung unseres Gehirns, verschiedenste Zukunftsszenarien zu erfinden. Unser Gehirn kann sich Dinge vorstellen, die es nicht gibt. Es kann aberwitzige und kühne Fantasien entwickeln. Das ist eine wichtige Fähigkeit, denn mit ihrer Hilfe entstehen neue Ideen, Erfindungen, motivierende Zukunftsvisionen.

Doch wir haben von Natur aus ein katastrophisches Gehirn. Damit ist die Neigung unseres Gehirns gemeint, sich auf Probleme und Gefahren zu fokussieren. Wir Menschen sind darauf geeicht, ständig auf Problemsuche zu sein.

Das macht aus evolutionärer Sicht auch vollkommen Sinn. Beim kleinsten Rascheln im Gebüsch war es für unsere steinzeitlichen Vorfahren sinnvoll, die Flucht zu ergreifen: „Lieber auf das Mittagessen verzichten als selbst zum Mittagessen werden.“

Heute steht uns unser katastrophisches Gehirn oft im Weg. Wir wittern Gefahren, wo es keine gibt, und entwerfen schaurige Zukunftsvisionen. Liegen abends im Bett und können nicht einschlafen. Oder bekommen Herzklopfen und feuchte Hände, weil Notizzettel uns an einen Rückruf erinnern. Wir wünschen uns dann mehr als einmal, diese negativen Gedanken irgendwie zu stoppen.

Denn diese Gedanken fühlen sich oft beängstigend an. Unser Gehirn kann ja nicht unterscheiden, ob wir einer realen Gefahr gegenüberstehen – oder ob ein Horrorszenario ausschließlich ausgedacht ist.

negative gedanken gehören dazu

Was mir an dieser Stelle wichtig ist: Es geht nicht darum, negative Gedanken vermeiden zu wollen. Mal abgesehen davon, dass das nicht möglich ist, es wäre auch gar nicht sinnvoll: Denn negative Gedanken gehören zum Leben und haben eine wichtige Funktion. Sie machen uns auf mögliche Gefahren aufmerksam.

«Gäbe es keine negativen Gedanken, dann wäre die Menschheit schon längst ausgestorben.»

Es gehört zum Menschsein, negative Gedanken zu haben. Diese Erfahrung verbindet uns Menschen miteinander. Daher erlaube den negativen Gedanken zunächst, da zu sein und akzeptiere, dass negative Gedanken etwas zutiefst Menschliches sind.

Es geht also nicht darum, jeden einzelnen negativen Gedanken bissig zu verfolgen und ausmerzen zu wollen. Es geht darum, negative Denkmuster zu erkennen und nach und nach zu verändern. Denkmuster, die dich in Grübelschleifen und negativem Kopfkino festhalten. 

negative gedanken verändern unser gehirn

Dennoch ändert diese Tatsache nichts daran, dass sich häufige und wiederholende negative Gedanken unangenehm anfühlen. Sie führen dazu, dass du dich traurig, unsicher, frustriert oder besorgt fühlst. Unsere Gefühle folgen unseren Gedanken.

Das allein wäre schon ein guter Grund, sich um eine gute Gedankenhygiene zu bemühen. Doch (häufige) negative Gedanken fühlen sich nicht bloß unangenehm an. Sie führen zu Stress. Und zwar auf allen Ebenen: körperlich, geistig, seelisch, emotional. Wir entwickeln womöglich Symptome wie Schlaflosigkeit, Schwindel oder Kopfschmerzen. Wir fühlen uns niedergeschlagen und hoffnungslos. Negative Gedanken können sich wie eine Trennwand anfühlen, die zwischen uns und unserer Lebensfreude zu stehen scheint.

Ein weiterer Grund: Negative Denkmuster verändern unser Gehirn. Wir wissen inzwischen, dass allein unsere Gedanken die Fähigkeit haben, die physische Struktur unseres Gehirns zu beeinflussen.

Bereits in den 1990er Jahren hat der Neurophysiologe Alvaro Pascual-Leone dazu Folgendes herausgefunden: Eine Testgruppe sollte eine bestimmte Tonfolge auf dem Klavier spielen. Eine zweite Testgruppe sollte sich lediglich vorstellen, diese Noten zu spielen. Mittels MRT konnte Pascual-Leone schließlich zeigen: Die Gehirnstrukturen der Menschen in beiden Gruppen hatten sich verändert. Es hatten sich neue Synapsen im Bewegungszentrum des Gehirns gebildet – völlig unabhängig davon, ob die Personen nun die Klaviertasten tatsächlich oder bloß in Gedanken gedrückt hatten.[3]

Das zeigt, wie kraftvoll unsere Gedanken sind. Und dass Ratschläge wie „Denk doch mal positiv!“ alles andere als hilfreich sind und ins Leere laufen. Wenn wir häufig bestimmte negative Gedanken haben, verstärken sich im Gehirn die entsprechenden neuronalen Netze. So ein Netz kannst du dir wie eine Gruppe von Neuronen vorstellen. Neuronen sind gesellige Kerlchen, die sich gern in Clustern zusammentun – so wie früher die Cliquen auf dem Schulhof.

der neuronale wanderweg im gehirn

Neuronen sind die Nervenzellen unseres Gehirns. Diese Neuronen kommunizieren untereinander und tauschen Informationen aus. Dabei dienen die Synapsen als Verbindungsstelle zwischen den Neuronen. Synapsen sorgen dafür, dass eine Information von einer Nervenzelle zur anderen gelangt. Und hier wird es wirklich beeindruckend: Bis zu 10.000 Synapsen befinden sich auf einer einzigen Nervenzelle.[4]

Nun ist es so, dass ein solches Netz nicht einmal im Leben geknüpft wird – und das wäre es dann gewesen. Nein, in den neuronalen Netzen ist Bewegung drin. Wenn Synapsen häufig benutzt werden – dann verändert sich ihre Struktur. In den Synapsen entstehen mehr Rezeptoren, so dass die Übertragung der Informationen von Nervenzelle zu Nervenzelle noch schneller wird. Die Verbindung zwischen bestimmten Neuronen wird verstärkt.[5]

Auf diese Weise entstehen in unserem Gehirn regelrechte „Wanderwege“. Je häufiger ein Weg benutzt wird, desto breiter wird er. Und desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass dein Gehirn diesen Weg nutzt: Denn es liebt den bequemen, einfachen Weg. Du weißt: Dein Gehirn will Energie sparen. Da ist es nur naheliegend, dass es auf die gut verzweigten, ausgebauten neuronalen Netze zurückgreift.

Das erklärt, weshalb es so schwer ist, ausgelatschte Pfade zu verlassen. Weshalb es so mühsam ist, gewohnte Denkmuster zu verändern und die negativen Gedanken zu stoppen.

Das Gute: Was in die eine Richtung funktioniert, funktioniert glücklicherweise auch umgekehrt. Denn was passiert, wenn ein Weg immer seltener benutzt wird? Genau, er wächst wieder zu. Gräser und Kräuter sprießen und sorgen irgendwann dafür, dass aus einem ehemals breiten Wanderweg wieder ein schmaler Pfad wird.

Das heißt, wenn du bestimmte neuronale Verbindungen nicht mehr nutzt – dann werden sie schwächer und schwächer. Im Gehirn herrscht nämlich ein reges Kommen und Gehen: Die sogenannte Synapseneliminierung sorgt dafür, dass nicht benötigte Synapsen absterben. Das hört sich vielleicht etwas unheimlich an, ist jedoch ein natürlicher Ausleseprozess: Was benutzt wird, bleibt – alles andere wird entrümpelt.  

Du kannst den Mechanismus der Synapseneliminierung also aktiv für dich nutzen, um negative Denkmuster zu verändern. 

wie kannst du negative gedanken in positive(re) umwandeln?

Schritt 1: Bemerke deine negativen Denkmuster          

Dieser Schritt ist nicht immer einfach, weil sich die negativen Muster so vertraut und gewohnt anfühlen. Um zu erkennen, dass du in negativen Denkmustern steckst, benötigst du einen gewissen Abstand zwischen dir und deinen Gedanken. Klingt komisch, ich weiß. Ich erläutere dir, was ich damit meine.

Im Alltag befinden wir uns meistens in einer Fusion mit unseren Gedanken. Dieser Begriff aus der Akzeptanz- und Commitment-Therapie bedeutet, dass Menschen mit ihren Gedanken verschmelzen. Wir glauben unseren Gedanken und hinterfragen sie nicht. Oft sind wir mit unseren Gedanken überidentifiziert – wir glauben alles, was wir denken.

«Dabei sind Gedanken erst einmal nichts weiter als Konstrukte unseres Denkapparats. Und diese Konstrukte können total daneben liegen, gemein, verletzend und verallgemeinernd sein. Unser Denkapparat ist alles andere als unfehlbar.»

Wir können glücklicherweise auf Abstand zu unseren Gedanken gehen. Das hört sich zunächst merkwürdig an – ist jedoch der Schlüssel dafür, negative Gedanken zu stoppen. Denn wenn ich bemerke, dass mein negativer Gedanke nur ein Gedanke ist und nicht die Realität selbst – dann schenkt mir das eine unglaubliche Freiheit. Ich habe dann die Freiheit, zu entscheiden:

  • Glaube ich diesem Gedanken?
  • Will ich weiter über ihn nachdenken?
  • Will ich ihm Taten folgen lassen?
  • Oder will ich bewusst etwas tun, das im Widerspruch zu diesem Gedanken steht?

Die Fähigkeit, auf Abstand zu den eigenen Gedanken zu gehen, kannst du lernen. Dieses Auf-Abstand-Gehen zu den eigenen Gedanken wird Defusion genannt. 

Es gibt zahlreiche Techniken, mit denen die Defusion geübt werden kann. Ich beschreibe dir mal eine wunderbare Möglichkeit, um Distanz zwischen dir und deinen Gedanken herzustellen: die Top 10-Liste.[6]

Welche sind deine „Top 10 der negativen Gedanken“?

Erstelle dazu eine Liste. Nimm dir dafür gern etwas Zeit und beobachte dich über mehrere Tage: Welche negativen Gedanken tauchen immer wieder auf?

Vielleicht etwas wie:

„Mir ist alles zu viel.“

„Mein Job ist blöd.“

„Andere haben ein besseres Leben als ich.“

„Mein Hintern ist zu dick.“

„Es wird sich ja doch nichts ändern.“

Wir haben in der Regel nämlich für uns typische, sich wiederholende Gedanken. Vor allem, wenn wir im Stress sind, tauchen sie vermehrt auf. Was dir diese Liste bringt?

Abstand. Du übst dich in der Technik der Defusion, also darin, eine gesunde Distanz zwischen dir und deinen Gedanken aufzubauen.

Klarheit. Du hältst Schwarz auf Weiß fest, welche negativen Gedanken du in schöner Regelmäßigkeit denkst. Sobald du dir das einmal bewusst gemacht hast, wird es dir künftig viel eher auffallen, wenn sich einer dieser Gedanken zeigt. So dass du dann die Chance hast für Schritt zwei.

Abgesehen davon: Es ist erleichternd, sich diese typischen Gedanken mal genauer anzuschauen. Das Aufschreiben kann sogar Spaß machen, wenn du bemerkst, was für einen negativen Bockmist du dir manchmal zusammendenkst (ja, das machen wir alle).

Schritt 2: Entwickele positivere Denkmuster          

Du hast nun deine Top 10-Liste erstellt oder du ertappst einen negativen Gedanken „auf frischer Tat“? Dann habe ich drei Impulse für dich, wie du deinem Gehirn helfen kannst, negative Gedanken zu stoppen.

Impuls Nr. 1:

Was würde deine beste Freundin, Pippi Langstrumpf oder dein Lieblingskollege in dieser Situation sagen?

Was bringt dir diese Frage?

Außenstehende Personen gehen in der Regel deutlich wohlwollender und freundschaftlicher mit uns um als wir selbst.

Doch nicht immer ist eine vertraute Person zur Stelle, wenn sich ein negativer Gedanke breitmacht. Zudem ist es wichtig, sich unabhängig von anderen Menschen selbst die nötige Unterstützung zu geben, die in dem Moment wichtig ist.

Befrage also gedanklich eine Mentorin oder einen Mentor: Was würde diese Person zu diesem Gedanken sagen? Fühl dich frei, ein Idol deiner Kindheit, deinen Lieblingssportler oder eine Romanheldin als Mentor:in zu wählen! Tauche gedanklich kurz in die Rolle dieser Person oder Figur. Und dann hör mal hin, was sie dir zu deinem negativen Gedanken zu sagen hat.

Impuls Nr. 2:

Ist dieser Gedanke nützlich?

Was bringt dir diese Frage?

Indem du dich fragst, ob der Gedanke nützlich ist, hinterfragst du, ob er für deine momentane Situation förderlich ist. Wir nehmen unsere Gedanken oft für bare Münze. Frage dich daher:

  • Wofür ist dieser Gedanke gut?
  • Hilft mir der Gedanke dabei, eine Situation gut zu bewältigen?
  • Hilft mir der Gedanke dabei, ein wichtiges Ziel zu erreichen?
  • Führt dieser Gedanke irgendwohin?

Oft wird die Antwort dann „nein“ lauten. So kannst du den Gedanken leichter loslassen, weil du erkennst, dass er einfach nicht hilfreich für dich ist. Nach dem Prinzip: „Gut gemeint ist nicht automatisch gut gemacht.“ Das gilt eben auch für Gedanken.

Impuls Nr. 3:

Gib deinem Gedanken einen Namen und höre ihm zu.

Was bringt dir dieser Impuls?

Es hilft ungemein, unliebsamen Gedanken einen Namen zu geben und ein fiktives Gespräch mit ihnen zu führen. Wie wäre es mit Rudi, Frau Oberschlau oder Wilma? 

Wenn du einen Namen gefunden hast, dann sprich deinen Gedanken an: „Hallo Frau Oberschlau, da sind Sie ja wieder. Danke für diesen Gedanken, ich weiß, dass Sie mir damit behilflich sein möchten. Doch ich bitte Sie um Verständnis, dass ich in dieser Angelegenheit einen anderen Gedanken befragen werde. Noch einmal danke für Ihr Engagement, Sie sind ja wirklich immer zur Stelle. Doch nix für ungut, ich höre heute nicht auf Sie.“

Das liest sich vielleicht reichlich schräg. 

Doch es funktioniert. Auch diese Methode unterstützt dich dabei, Abstand herzustellen. Dein Gedanke bekommt einen Namen und wird somit zu einer eigenständigen Partei, die es in dir gibt. Doch der Gedanke BIST eben nicht du. Du heißt vermutlich nicht Frau Oberschlau. Du schaffst es auf diese Weise, die Macht deines Gedankens abzuschwächen und ihn weniger ernst zu nehmen.

Schritt 3: Üben, üben, üben         

Egal, welche Methode du ausprobierst: sei geduldig. Erlaube dir, zu experimentieren. Vielleicht passt ein Impuls nicht in jeder Situation. Vielleicht klappt es nicht gleich auf Anhieb, deine negativen Gedanken zu stoppen. Womöglich funktioniert es auch bei der achten oder zwölften Wiederholung noch nicht. Negative Denkmuster sind anhänglich, daher braucht es seine Zeit, sie zu aufzuweichen und zu verändern. 

Bitte bedenke: Dauerhafte negative Gedanken können ein Hinweis auf eine mentale Krankheit sein. Bei Angststörungen oder Depressionen ist das negative Denken oft symptomatisch. Es gibt leider keine simple „Faustformel“, ab wann negative Gedanken ein Zeichen sein können, sich professionelle Unterstützung zu holen. Es kommt darauf an, wie stark die Intensität dieser Gedanken die eigene Lebensqualität beeinflusst. Sei dir gegenüber daher achtsam.


[1] Ewert, Katrin (19.03.2020): Warum unser Gehirn Routinen liebt. In: Planet Wissen. https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/psychologie/gewohnheiten/gewohnheiten-hirnforschung-100.html (Stand: 03.07.2023).

[2] Craig, Anne (13.07.2020): Discovery of ‘thought worms’ opens window to the mind. In: Queen’s Gazette, Queen’s University. https://www.queensu.ca/gazette/stories/discovery-thought-worms-opens-window-mind (Stand: 03.07.2023).

[3] Pascual-Leone, Alvaro u. a. (2005): The Plastic Human Brain Cortex. In: Annu. Rev. Neurosci. https://www.runi.ac.il/media/kdwprjiw/46b504_9b7d2abfcfa342749ab270827db87235.pdf (Stand: 03.07.2023).

[4] Das Gehirn (o. D). In: Max-Planck-Gesellschaft. https://www.mpg.de/gehirn#:~:text=Schließlich%20sitzen%20bis%20zu%2010.000,die%20weit%20voneinander%20entfernt%20sind (Stand: 03.07.2023).

[5] Sältz, Martje (29.05.2022): Neuronale Netzwerke oder „Wie funktioniert das Gehirn?“ In: Scilogs.  https://scilogs.spektrum.de/hirn-und-weg/neuronale-netzwerke-oder-wie-funktioniert-das-gehirn/ (Stand: 03.07.2023).

[6] Wengenroth, Matthias (2022): Das Leben annehmen. So hilft die Akzeptanz- und Commitment-Therapie (ACT). 3. Aufl., Bern: Hogrefe.